Das geht ja gut los … offenbar hat mein „K653“ aktuell satte 135 Minuten Verspätung. Das Symbol für Minuten kenne ich noch aus Japan und die Zahl steht dort in unserer Schreibweise. Und da schon fast eine Stunde Verspätung um ist, ist das auch recht plausibel. Beim Einlass für einen anderen Zug gab’s hier geradezu Radau, bei dem sich Bahnangestellte und Bauern ordentlich angebrüllt haben. Es bestand wohl Uneinigkeit darüber, ob man zum gerade aufgerufenen Zug durfte oder nicht. Und mein Zug hat auf 170 Minuten Verspätung erhöht.
Mit gut 3 Stunden Verspätung – das Bild pünktlicher chinesischer Züge ist somit endgültig zerstört – ging es dann doch noch von Huaihua los im Direktzug nach Guilin. Die Entfernung ist gar nicht mal so weit (Luftlinie vielleicht so 330 Kilometer), aber der Zug muss einen erheblichen Umweg von etwa 200km machen und braucht laut Fahrplan dann fast 11 Stunden. Dazu ist die Strecke nur eingleisig, so dass man ständig auf Ausweichstellen auf entgegenkommende Züge wartet. Weil es diesmal ein Tagzug war gab es wenigstens viel zu gucken. Der typische Blick waren Reisfelder, Berge, Dörfer und Flüsse. Manchmal auch alles auf einmal …
… oder auch Reisfelder so weit das Auge blickt …
Gegen 19 Uhr mit nur noch 2 Stunden Verspätung erreichten wir dann Guilin. Da ich eine 3er-Bank für mich hatte, war es auf den „Hard Seats“ ganz gut auszuhalten. Der Schaffner war nicht nur für die Abwicklung der Halte und Kontrolle der Fahrscheine zuständig sondern auch für die Sauberkeit. So ging er etwa einmal pro Stunde rum und fegte den ganzen Waggon. Da es jemanden gab, der fegte, war die Logik für die Chinesen, Müll jederzeit auf den Boden zu schmeißen (wenn nicht gerade das Fenster offen stand und der Weg dort hinaus kürzer erschien). Überhaupt gibt es so ein paar Sitten. Kleinkinder dürfen beispielsweise überall auf die Straße pullern. Männer wiederum dürfen überall auf den Boden spucken (auch im Zug).
Die Buchung des Hotels hat wieder geklappt und ich hatte eines nur wenige Schritte vom Bahnhof genommen. Das Zimmer ist okay, das Hotel insgesamt aber sehr hellhörig, wobei ich dafür ja eher unempfindlich bin. Guilin ist eine echte Touristenstadt, denn von hier hat man Zugang zum berühmten „Li Fluss“, den ich mir hier ja auch angucken möchte. Das bedeutet, dass man eigentlich in der ganzen Stadt jedem Chinesen erklären müsste, dass man schon ein Hotelzimmer hat, nicht Taxi fahren möche und keine gefälschten Markenwaren kaufen möchte – oder man ignoriert das Ganze. Abends ist hier schon mehr auf den Straßen los als sonst, vermutlich weil auch viele Chinesen hier auf Urlaub sind und morgen nicht arbeiten müssen. Die Stadt wiederum begegnet dem mit relativ sauberen und ansehnlichen Straßen und einem ausgeprägten Angebot an Nachtleben. Jedenfalls habe ich in der Innenstadt diverse sehr fein herausgeputzte Discos/Clubs gesehen, wo jeder Gast von mindestens 5 Hostessen begrüsst wird.
Dass die Chinesen einen Hang zum Kitsch haben würde man vermuten …
… dass man es darin aber derart zur Meisterschaft bringen kann, ist dann doch erstaunlich:
Die Brücke veränderte dabei auch noch ständig die Farben. Mit etwas Geduld wäre auch die Farbkombination rosa/babyblau drin gewesen.
Auf dem Weg in die Stadt habe ich bei einem der zahlreichen Reisebüros eine ganztägige Flußfahrt auf dem Li-Fluß für morgen gebucht, bei der ich morgens um 8 Uhr vom Hotel abgeholt und später wieder mit dem Bus nach Guilin zurückgebracht werde (die Bootstour endet etwa 70km flußabwärts). Ist vielleicht ein klein wenig Massentourismus aber insgesamt bin ich doch guter Dinge, dass das für den einen eingeplanten Tag das Beste ist.
Die Tage bis zur Yangzi-Fahrt habe ich noch mal umgeplant und in Kunming, Leshan und Zigong Hotels gebucht.